hegel

G.W.F. Hegel

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am 29. November 2016

Aus einer e-mail an einen Freund:

Lieber Freund,
ich spüre aus Ihren Beiträgen den Drang, sich überall, wo’s brennt, mit Protesten in den „Widerstand“ einzubringen.
Halten Sie einen Atemzug inne, um nachzudenken!
Nach einem halben Jahrhundert „Protestkultur“ können wir ein Fazit ziehen: Alle Protestbewegungen sind letztendlich vom „System“ vereinnahmt worden – auch die Anti-Atombewegung. Das Resultat ist flächendeckend eine tiefe Resignation. Aus der werden wir uns nur herausarbeiten mit der Erkenntnis, was die Weltgeschichte wesentlich ist, und daß es in ihr „vernünftig zugehe“. Ihnen als Pastor sollte der Zugang zu dieser Erkenntnis leicht fallen, wenn Sie noch – was ich vermute – an Gott glauben können (ich kann es nicht mehr).
Die zu „beklagenden Mißstände“ sind keine, weil wir sie als solche nicht denken können. Und was nicht gedacht werden kann, ist nicht (Hegel). Wer sagt uns denn, daß die denunzierten Phänomene nicht sein müssen, also nicht sein dürften? Sind wir klüger als Gott? Dann wäre Gott nicht Gott.
Das Widerwärtige liegt notwendig am Wegesrand der Weltgeschichte als Orientierungspunkte, die Gott ermöglichen, zu erkennen, was er nicht ist und nicht sein will (Jakob Böhme).
Als Moment des Lebens Gottes ist das Widerwärtige gerechtfertigt: Es muß sein. Es ist aber seinem Wesen gemäß stets nur der Anreiz zu seiner Negation. Diese durch Begreifen zu bewirken, ist die uns gestellte Aufgabe. Das nicht als Moment des göttlichen Lebens begriffene Böse erhält sich im Scheine der autonomen Gegengottheit, als „der Satan“. Dieser Schein – bestimmt als die Welthirtschaft der Judenheit – ist unsere Gegenwart und unser Schicksal.
Proteste gegen die Erscheinungen des Bösen sind Ausdruck von Blindheit, durch die unsere Sicht auf den wirklichen Gott verhangen ist. Die Schaubarkeit Gottes drückt Goethe im Faust mit dem Sermon des Mephisto aus: „Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will, und stets das Gute schafft“. Wäre das Böse nicht, wäre auch das Gute nicht wirklich.
Proteste gegen das Böse sind nichts anderes als Palliation,

( Palliation von lat. palliatio „Bemäntelung“, aus lat. pallium „Mantel“, palliare „mit einem Mantel umhüllen“, „verbergen“ bezeichnet allgemein eine medizinische oder pflegerische Maßnahme, deren primäres Ziel nicht der Erhalt, die Heilung oder die Wiederherstellung der normalen Körperfunktion, sondern deren bestmögliche Anpassung an die gegebenen physiologischen und psychologischen Verhältnisse ist, ohne gegen den zugrundeliegenden Defekt oder die zugrundeliegende Erkrankung selbst zu wirken – https://de.wikipedia.org/wiki/Palliation),

stehen also im Dienste des Bösen. Sie bewirken mit ihrer notwendigen Erfolglosigkeit die Akkomodation an das Böse (Resignation).
Die jetzt in der Real-Welt offenbare Herrschaft Satans ist der gegengeschichtliche Prozeß, der notwendige Schatten der Weltgeschichte als Fortschritt des Geistes im Bewußtsein der Freiheit. Satan ist in diesem Sinne – als logisches Moment erkannt – die erste Negation der Freiheit, die sich erst in der zweiten Negation als Affirmation des Selbstbewußtseins Gottes, daß er durch nichts ihm Fremdes, sondern nur durch sich selbst bedingt ist (Freiheit), setzt. Diese zweite Negation der Freiheit ist realweltlicher Kampf auf Leben und Tod der endlichen Geister, die in diesem Kampf aufgeopfert werden, und in diesem Opfer Sinn und Erfüllung ihres Daseins erfahren.
Wir suchen den Punkt des Aussprungs aus der Gegengeschichte. Es ist die historische Bedeutung des DEUTSCHEN KOLLEGS, diesen markiert zu haben, indem es den Deutschen Geist in seiner Höchstform der Hegelschen Vernunftphilosophie als Anleitung zu politischem Handeln wiederbelebt hat. Alles, was sich aus diesem Punkt der Weltgeschichte heraushält – einschließlich des sogenannten Nationalen Lagers – verendet in Sackgassen, die der Weltgeist meidet.
Das zu vielfältigem Protest provozierende Leiden an der Welt ist nicht mit dem Schaum der willkürlichen, weil grundlosen Meinungen zu heilen, sondern allein mit dem Begreifen des Begriffs (Gottes). Indem wir den Weg des Erkennens wirklich, d.h. wirkend, beschreiten, gelangt der Schlüssel zur Lösung aller Probleme in unsere Hand.
Die „Die Satanischen Verse des Mosaismus“  wirken wie ein Brennglas, das die Lichtstrahlen unseres Problembewußtseins bündelt im Brennpunkt unseres Daseins, der Gottesfrage. Es gibt keinen anderen Weg zum Heil.
Brüderliche Grüße
Horst Mahler

Weiterführend: Horst Mahler „Was tun?“  Was tun? (Horst Mahler, 03/2016)
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